Elektroauto als Stromspeicher mit Vehicle-to-Grid

Das Elektroauto als Stromspeicher im Vehicle-to-Grid (V2G) ermöglicht die Revolution der Energiewirtschaft. Wollt ihr mehr erfahren, wie uns das unabhängiger von fossilen Brennstoffen macht und warum Autostromtarife günstiger werden könnten? Im Leitartikel habt ihr die ersten Vorteile des bidirektionalen Ladens eines Elektroautos kennen gelernt. Wenn man einen Schritt weiter in die Zukunft blickt und das Elektroauto als Stromspeicher für das Stromnetz sieht, ist das Potential unsere Energiewelt grundlegend und nachhaltig zu verändern riesig. Bevor wir dies mit Zahlen und Beispielen skizzieren, müssen wir verstehen, wie das Stromnetz in Europa funktioniert.

Funktionsweise Stromnetz

Damit das Stromnetz stabil betrieben werden kann muss es eine Frequenz von 50 Hertz (Hz) aufweisen. Diese Frequenz kann nur gehalten werden, wenn die gleichzeitige Menge an erzeugtem Strom gleich der Menge des verbrauchten Stroms ist. Kommen Stromerzeugung und der Verbrauch und damit die 50 Hz aus dem Gleichgewicht, droht potentiell ein Blackout oder ein großflächiger Stromausfall.

Mit den möglichen Auswirkungen eines Blackouts befasst sich das gleichnamige Buch von Marc Elsberg (*), welches ich an der dieser Stelle empfehlen möchte. Die für die Frequenzhaltung verantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber haben die Aufgabe den Zustand des Stromnetzes zu überwachen und bei drohendem Ungleichgewicht der Erzeugung und des Verbrauchs einzugreifen.

Wenn der Stromverbrauch größer ist als die Erzeugung wird z.B. mittels Zuschaltung von weiteren Kraftwerken dagegen gesteuert. Ist die Erzeugung größer als der Verbrauch werden Kraftwerke heruntergefahren oder Verbraucher dazugeschaltet. Da der Vorgang dieser Steuerung zeitnah erfolgen muss, eignen sich nur bestimmt Kraftwerke / Stromerzeuger dafür. Die Kennzahl Leistungsgradient oder Leistungsänderungsgeschwindigkeit bestimmt, welches Kraftwerk sich gut oder eher schlecht dafür eignet. Sie gibt an in welcher Zeit das Kraftwerk die Leistung erhöhen oder reduzieren kann.

Besonders flexible Kraftwerke mit einem hohen Leistungsgradient können in kurzer Zeit sehr große Leistung zur Verfügung stellen oder wieder zurücknehmen. Beispiele hierfür sind Wasser- als auch Gaskraftwerke.

Bei Bedarf kann ein Wasserkraftwerk in wenigen Sekunden die benötigte Menge an Strom in kWh bzw. Leistung in kW erzeugen. Das geschieht über das unmittelbare Ablassen des Wassers aus dem Oberbecken über Rohrleitungen in das Unterbecken und der damit verbundenen Stromerzeugung über die Turbine und dem Generator. Als Beispiel möchte ich die das Pumpspeicherwerk in Wendefurth im schönen Harz nennen.

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Eher unflexible und mit niedriger Leistungsänderungsgeschwindigkeit ausgestattete Kohlekraftwerke eigenen sich eher für die Bereitstellung der Grundlast. Man kann sich das vereinfacht so vorstellen, dass bei einem Kohlekraftwerk bei Leistungsbedarf der Heizkessel erst mit Kohle aufgefüllt werden muss und es einige Zeit dauert, bis der Strom über die Dampfturbine bis hin zum Generator erzeugt wird. Andersherum kann man bei einem Kohlekraftwerk im Falle zu viel erzeugtem Strom dieses nicht einfach ausschalten, sondern muss warten bis die im Heizkessel vorhandenen Kohle verbrannt ist.

Strom aus erneuerbaren Energien und der Regelenergiemarkt

Unser Stromnetz hat sich seit der Einführung von EEG-Anlagen wie Photovoltaik und Windkraft bereits massiv geändert. Die wetterbedingte stark schwankende Erzeugung von Sonnen- und Windenergie macht es den Übertragungsnetzbetreibern immer schwerer das Gleichgewicht und damit die Frequenz von 50 Hz zu halten.

Allein eine großflächige Bewölkung oder plötzlich auftretender oder ausbleibender Wind machen die Erzeugung immer schlechter prognostizierbar. Folglich sind immer öfter Eingriffe nötig um die 50 Hz zu halten und einen Stromausfall zu vermeiden. Die dafür vorgehaltene Menge an flexiblen Kraftwerken, die den für den Ausgleich vorgesehenen Regelenergie liefert, steigt mit dem Ausbau der erneuerbaren Energie immer weiter an und ist sehr teuer.

Deutschland hat geografisch bedingt im Vergleich zu Ländern wie Norwegen oder Österreich nur wenige Wasserkraftwerke. Gerade diese Kraftwerke eignen sich mit ihrer hohen Leistungsänderungsgeschwindigkeit besonders gut. Auch die ebenfalls flexiblen Gaskraftwerke kommen durch den unerwünschten CO2 Ausstoß in Zukunft nicht mehr in Frage. Durch den politisch gewollten und meiner Meinung nach richtigem Schritt der CO2 Bepreisung werden diese Kraftwerke immer unwirtschaftlicher im Betrieb.

Wie soll dann in Zukunft die so wichtige Regelenergie für die Frequenzerhaltung des Stromnetzes bereitgestellt werden? Gerade im Hinblick des massiven Ausbaus der erneuerbaren Energien? Genau hier kommt zukünftig die Elektromobilität mit dem Elektroauto als Stromspeicher und Vehicle-to-Grid (V2G) innerhalb eines intelligenten Stromnetzes (smart grid) ins Spiel. Ich möchte euch das Potential anhand einer Beispielrechnung erläutern.

Beispielrechnung Potential Elektroauto als Stromspeicher

Abgerufene Mengen der Regelenergie in Deutschland

Jahr positive SRL negative SLR positive MRL negative MRL
2020 800 GWh 1000 GWh 55 GWh 15 GWh


Die Kosten für die Regelenergieabrufe betrugen in 2020 ca. 124,88 Mio. Euro!


Szenario Elektroautos in Deutschland am 01.10.2021

Anzahl Elektroautos 516.518
durchschnittliche Akkukapazität Elektroauto 50 kWh
theoretische Stromspeicherkapazität in Gigawattstunden (GWh) wenn Akku zu 50 % zur Verfügung gestellt wird 12,91 GWh
theoretische Stromspeicherleistung in Gigawatt (GW) bei angenommenen 3,7 kW 1,911 GW


Szenario Schätzung Anzahl Elektroautos in Deutschland am 01.01.2030

Anzahl KfZ 01.01.2021 48.250.000
geschätzte Anteil Elektroautos in 2030 30 %
Anzahl Elektroautos in 2030 14.475.000
durchschnittliche Akkukapazität Elektroauto in 2030 70 kWh
theoretische Stromspeicherkapazität in Gigawattstunden (GWh) wenn Akku zu 50 % zur Verfügung gestellt wird 506,63 GWh
theoretische Stromspeicherleistung in Gigawatt (GW) bei angenommenen 3,7 kW 53,56 GW

zukünftige Vorteile des Elektroautos als Stromspeicher im Vehicle-to-Grid (V2G)

Wenn die Elektroautos als Speicher im smart grid zur Verfügung gestellt werden, kann diese riesige Schwarmbatterie bereits zu großen Teilen die Aufgabe der Regelenergiebereitstellung erfüllen. Wenn dann noch die zukünftigen stationären Stromspeicher aus den 2nd Life Elektroautos hinzugezählt werden, steigt das Potential nochmals erheblich.

Gerade Batteriespeicher eignen sich mit ihrer hohen Leistungsänderungsgeschwindigkeit hervorragend für diese Aufgabe. Für diese zukünftige Dienstleistung in der Bereitstellung von Leistung in kW oder Arbeit in kWh, sollte der stationäre und mobile Stromspeicher eine Vergütung erhalten.

Welche Voraussetzungen muss das Elektroautos als Stromspeicher im Vehicle-to-Grid (V2G) erfüllen?

Es müssen wie beim Vehicle-to-Home (V2H) noch einige technische und rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Diese weitere Form des bidirektionalen Ladens und Einspeisung in das Stromnetz muss sowohl durch das Elektroauto als auch durch die Ladeinfrastruktur ermöglich werden. Weiterhin muss das Elektroauto am Stromnetz per Kabel oder später per Induktion verbunden sein um den Strom für das Netz aufnehmen oder abgeben zu können.

Das Elektroauto sollte so viel Strom im Akku zur Verfügung haben um danach selbst bis zur nächsten planmäßigen Lademöglichkeit fahren zu können. Ebenso dürfen nicht alle Batteriespeicher gleichzeitig vollgeladen sein, weil diese dann keinen weiteren Strom mehr aufnehmen können, wenn erzeugungsseitig ein Stromüberschuss durch Sonnenenergie oder Windkraft zur Verfügung steht.

Wie kann das Elektroauto als Stromspeicher zur Frequenzerhaltung und Verringerung der Wahrscheinlichkeit eines Blackout beitragen?

Für die genannten Aufgaben und Voraussetzungen sind riesige Datenmenge (Big Data) nötig. Diese werden durch Sensoren in den Elektroautos und der Ladeinfrastruktur ermittelt.

Die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) könnten mit den Daten und der Möglichkeit der hunderttausendfachen Schaltung der Ladevorgänge oder des Einspeisens der mobilen Elektroautoakkus oder stationären Stromspeicher das Stromnetz stabil halten. Damit hätten die ÜNB neben den bisher bekannten Regelenergiekraftwerken weitere Möglichkeiten, um die Wahrscheinlichkeit eines Blackout in Deutschland zu verringern.

Randbemerkung § 14a EnWG

Im kleineren Maßstab findet man solche Schaltvorgänge bereits auf Verteilnetzbetreiberebene bei Wärmepumpen, Speicherheizungen oder Wallboxen mit separatem Zähler. Hier kann der Netzbetreiber für die Netzstabilität zu vorher festgelegten Schwachlastzeiten die Last der Geräte in seinem Stromnetz abwerfen oder wieder zuschalten.

Kommen wir im nächsten Abschnitt dazu wie sich das Stromnetz und die Stromtarife der Zukunft für Elektroautos entwickeln könnten.

Stromnetz der Zukunft mittels Vehicle-to-Grid (V2G) und dem Elektroauto als Batteriespeicher

In einer theoretischen Welt mit einer Stromerzeugung aus 100 % erneuerbaren Energie und Batteriespeicher in Größenordnung der Schwarmbatterien sind keine fossilen Kraftwerke mehr nötig. Sowohl die Regelenergie bei Windflauten oder wochenlanger Bewölkung könnten genauso kompensiert werden, wie die Stromerzeugung der fossilen Kraftwerke. Der Strom selbst ist in dem Szenario fast kostenlos bzw. kann zu sehr geringen Kosten (siehe Gestehungskosten) über die erneuerbaren Energie Anlagen erzeugt werden.

Ein weiterer Vorteil der Regelenergienutzung aus den Akkus der Elektroautos ist die mögliche Unabhängigkeit vom Ausbau der Gaskraftwerken und den Gasimporte. Mit dem Elektroauto als Speicher für Strom machen wir uns auch unabhängiger von fossilen Brennstoffen! Die Schwarmbatterie aus Elektroautos und stationären Batteriespeichern ist damit eine riesige Powerbank für das smarte Stromnetz.

Szenarien für Vergütung der netzdienlichen Bereitstellung der Elektroautos durch moderne Stromtarife

kostenlose Autostromtarife

Das es zukünftig in einem modernen Netz mit Vehicle-to-Grid mehr kostenlose Autostromtarife geben wird, ist möglich aber eher unwahrscheinlich. Der zwar günstig zur Verfügung gestellte Strom aus der Schwarmbatterie wird dem Elektroautofahrer selten kostenlos in beliebige Mengen UND Ladeleistungen zur Verfügung gestellt werden können. Dafür werden der Ausbau und die Wartung des Stromnetzes zu teuer sein.

Die aktuellen kostenlose Ladetarife an den öffentlichen Ladesäulen vereinzelter Discounter und Supermärkte werden eher die Ausnahme bleiben und sind durch die Gewinne der Einkäufe querfinanziert.

lastvariable Autostromtarife

Ein aus meiner Sicht wahrscheinlicheres Szenario ist die kostenlose Bereitstellung des Strom in kWh und die Zahlung der jeweils abgerufenen Ladeleistung in kW. Nach dem Motto wer schnell Strom mit einer höheren Ladeleistung in Anspruch nimmt, zahlt mehr Geld als derjenige der den Autostrom gleichmäßiger mit weniger Leistung aus dem Netz entnimmt. Die geladene Menge an Strom in kWh wäre dabei für jeden kostenlos!

zeitvariable Autostromtarife

Eine weitere Möglichkeit ist die Bereitstellung des Stroms über zeitvariable Autostromtarife. In Zeiten in denen besonders viel EEG Strom zur Verfügung steht kann günstiger geladen werden als in den Zeiten mit Windflauten und Bewölkung. In den seltenen Zeiten in denen der Überschuss in der Erzeugung des EEG Strom so groß ist, dass der Strompreis an der Leipziger Strombörse EEX negativ ist, könnte man die Beladung des Akkus nicht nur kostenlos erhalten. Man würde für die Aufnahme des überschüssigen Stroms für die Frequenzerhaltung des Stromnetzes noch Geld verdienen!

Flatrate für den Autostrom

Als wahrscheinlicher halte ich die Möglichkeit, dass es noch mehr Flatrate Tarife für den Strom des Elektroautos geben wird als aktuell. Man zahlt einen jährlichen oder monatlichen Betrag und kann je Leistung soviel Strom für das Elektroauto tanken wie benötigt.

Möglich macht das die große Menge an Strom als auch die verfügbare Leistung, die durch die riesige Schwarmbatteriespeicher der Elektroautos und stationären Stromspeicher zur Verfügung stehen.

Vergütung von Kleinflexibilitäten mit dem E-Auto als Stromspeicher

Nach pv magazine wird auch bereits an einer Vergütung für Kleinflexbilitäten geforscht. Diese können nicht nur von Elektroautos sondern auch über lokale Batteriespeicher
oder Wärmepumpen zur Verfügung gestellt werden. In diesem Szenario soll netzdienliches Verhalten finanziell belohnt werden.
Das kann über die Verfügungstellung von Strom aus Batteriespeichern bei Windflauten und wenig PV Strom erfolgen.
Im anderen Fall über die Abnahme von Strom über die Speicher oder Wärmepumpen bei drohenden EEG Strom Überschuss im Stromnetz / smartgrid.

The Mobility House handelt mit dem Strom von 4.500 Elektroautos an der Strombörse EPEX SPOT SE

The Mobility House hat die Anbindung an die europäische Strombörse EPEX SPOT SE mitgeteilt. Dort handelt man von nun an selbst Kleinflexibilitäten in Form von 4.500 Elektroautobatterien mit einer Gesamtleistung von 100 MW mittels der hauseigenen EV Aggregation Platform.

Fazit Vorteil Elektroauto als Stromspeicher im Stromnetz der Zukunft

Wenn das Elektroauto als Stromspeicher für das smart Grid kommt, ist es möglich die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen weiter zu verringern. Die zur Verfügung gestellte Menge an Strom sowie Lade- / Einspeiseleistung aus dem intelligenten Stromnetz über die Elektroautos als Schwarmspeicher könnten separat oder mittels günstiger Autostromtarife vergütet werden. Die oben in der Tabelle genannten jährlichen Kosten für die Bereitstellung der Regelenergie für die Stromnetzstabilität könnte entweder massiv reduziert oder besser in Form von Vergütungen den Teilnehmern der Schwarmbatterie ausgezahlt werden. Damit hat das Elektroauto als Stromspeicher zukünftig einen großen Vorteil im Vergleich zum Verbrenner.

Es sind noch einige technische und rechtliche Rahmenbedingungen für eine Schwarmbatterie in einem smart Grid zu klären. Für alle die tiefer in die Materie und in weitere Anwendungsfälle einsteigen möchten, empfehle ich das Positionspapier der Initiative Bidirektionales Laden. Zu der Initiative gehören u.a. Firmen wie Elli als Tochter der VW, The Mobility House oder powercloud. Diese Anwendungsfälle oder Usecases verbunden mit dem potentiellen Resultat zu dem auch die Vermeidung von Blackouts gehören, sind aus meiner Sicht so bahnbrechend und revolutionär, dass alle Autofahrer davon erfahren sollten. Wenn ihr auch der Meinung seid, bitte ich euch darum den Artikel und meinen Blog weiter zu empfehlen! 

The Mobility House CSO Marcus Fendt zeigt bei nano die Vorteile des bidirektionalen Ladens eines Elektroautos im Vehicle-to-Grid

Welche weiteren Vorteile ihr als Elektroautofahrer genießt erfahrt ihr in meinen anderen Artikeln:

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