Elektroauto als Stromspeicher für bidirektionales Laden und V2H

Dieser Artikel beschreibt die Anforderungen an Vehicle-to-Home (V2H) mit einem Elektroauto als Stromspeicher, welcher mobil ist. In früheren Artikeln wurden erste allgemeine Vorteile und Nachteile der unterschiedlichen Anwendungsfälle des bidirektionalen Ladens bzw. V2X (Vehicle-to-All) dargestellt. Jetzt ist es an der Zeit zu schauen, welche Vorteile man im individuellen Fall am konkreten Beispiel mit Vehicle-to-Home und einem Elektroauto erhalten kann.

Elektroauto als Stromspeicher

Vorteile Elektroautos mit V2H

Diese allgemeinen Vorteile eines Elektroautos als mobiler Stromspeicher sollten sich zukünftig mit Vehicle-to-Home nutzen lassen:

  • Möglichkeit, Strom aus dem Akku des Elektroautos bidirektional für das Haus zu nutzen
  • Substitution Sprit / Gas durch Strom
  • Erhöhung Anteil erneuerbarer Energien am Eigenverbrauch
  • dadurch günstigere Stromkosten möglich
  • größere Unabhängigkeit vom Stromnetzbezug
  • Elektroauto als mobilen Speicher nutzen, um an anderen Orten (Arbeit, Supermarkt, öffentlichen Ladesäulen mit Sonderaktionen der EMP) günstiger Strom zu laden und später dem Haus zurückzuführen
  • Flexibilität – Stromspeicher des Elektroautos nutzen, um freie Akkukapazitäten für die Netzstabilisierung zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig Strom günstiger zu laden
  • Flexibilität – Stromspeicher des Elektroautos nutzen, um den vorher günstig geladenen Strom teurer an der Börse verkaufen zu können, wenn dieser bis zur nächsten Abfahrt nicht gebraucht wird

Anforderungen bidirektionales Laden mit V2H

Damit man von den Vorteilen des bidirektionalen Ladens eines Elektroautos und Vehicle-to-Home profitieren kann, ergeben sich folgende Anforderungen und Herausforderungen.

Herstellerunabhängige Nutzung der Hardware

Viele Elektroautofahrer haben bereits Bestandsanlagen (PV-Anlage, Wallbox, E-Auto, Smart-Meter) von unterschiedlichen Herstellern und Produktgenerationen. Für die spätere Nutzung mit V2H ist eine herstellerunabhängige Integration per Software wünschenswert. Andernfalls müssten Bestandsanlage teuer ausgetauscht werden.

Kostengünstige Hardware

Aktuell sind bidirektional ladefähige Elektroautos und Wallboxen recht teuer und sollten im Preis nach den Pilotprojekten sinken.

Auch die nötigen Smart-Meter inkl. eines Steuergeräts waren mit ihren jährlichen Kosten von 100 € brutto oder mehr sehr preisintensiv und mussten teilweise über einen wettbewerblichen Messstellenbetreiber besorgt werden. Hier ist ab 2024 dank dem Neustart der Digitalisierung der Energiewende eine Verbesserung erzielt worden. Die Preisobergrenze der grundzuständigen Messstellenbetreiber für intelligente Messsysteme (iMSys) bzw. Smart-Meter wurde von den 100 € brutto auf 20 € brutto gesenkt – siehe Beispiel Netz Leipzig.

Günstigere Netzentgelte bei Steuerbarkeit für den Netzbetreiber

Im Rahmen des §14a EnWG wird es vor. ab 2024 für Neuanlagen die optionale Möglichkeit geben, dem Netzbetreiber die Steuerbarkeit zu gewähren. Im Gegenzug erhält der Betreiber der steuerbaren Verbrauchseinrichtung (Wallbox / Elektroauto, Wärmepumpe oder stationärer Speicher) die Auswahlmöglichkeit einer jährlichen pauschalen (Modul 1) oder relativen (Modul 2) Netzentgeltreduzierung. Die jährliche Netzentgeltreduzierung kann dabei 100 € oder mehr betragen.

Wichtig dabei ist, dass dann nicht die gesamte Anlage vom Netz getrennt, sondern jede Anlage auf lediglich 4,2 kW Leistung gedimmt wird – was immer noch ausreichend sein sollte. Die Steuerung bei der gemeinsamen Messung wird dann zukünftig über den Smart-Meter inkl. Steuerbox, einem Energiedatenmanagementsystem wie z.B. dem Heartbeat von 1KOMMA5° oder direkt über die jeweilige steuerbare Verbrauchseinrichtung selbst erfolgen.

Nach aktuellem Planungsstand soll es ab 2025 ein weiteres Modul 3 mit mehreren Zeitzonen eines Stromnetzentgeltes mit unterschiedlichen Arbeitspreisen in ct/kWh geben. Dies würde nicht nur dazu beitragen, die Netzkosten für den Elektroautofahrer zu reduzieren, sondern auch einen Anreiz setzen, die Verbrauchsspitzen in die Zeiten zu verlagern wie es für das Verteilnetz des Stromnetzbetreibers sinnvoll ist.

Akkugarantie

Im zusätzlichen Betrieb von V2H wird der Akku des E-Autos stärker belastet als im Fahrbetrieb. Die Autohersteller steuern hier bereits gegen, indem die Strommengen für V2X-Ladetätigkeiten z.B. auf 20.000 kWh begrenzt werden.

Es sollte daher vorab geklärt werden, wie sich bidirektionales Laden auf die Akkugarantie auswirkt.

Smart Charging – Börsenpreistarife

Bereits jetzt können Elektroautofahrer über Stromanbieter wie aWATTAR, tibber, 1KOMMA5° oder RABOT Charge von den zeitweise sehr günstigen Beschaffungspreisen für Strom an den Börsen profitieren. In Zeiten von Überschuss an EEG-Strom im Netz ist es somit stundenweise möglich, das Elektroauto sehr günstig oder sogar kostenlos aufzuladen.

Zusätzlich sollte es mit dem bidirektionalen Laden später auch möglich gemacht werden, den nicht benötigten Strom bis zur nächsten Abfahrt und einem Mindestakkufüllstand bei Bedarf dem Netz zur Verfügung zu stellen. Idealerweise sollte man dann auch wieder börsenpreisgetrieben für den Verkauf von Strom mindestens so viel Geld erhalten wie man dafür bezahlt hat.

Einspeisevergütung vs. Direktvermarktung

Die Einspeisevergütung für den von der PV-Anlage erzeugten und eingespeisten Strom ist mit ca. 8 ct / kWh recht gering im Vergleich zu den Stromnetzbezugskosten von 40 ct /kWh. Hier wünschen sich alle PV-Anlagenbesitzer, dass dieser Strom zum Beispiel über Direktvermarkter für mehr Geld verkauft werden kann.

rechtliche Rahmenbedingungen

Aktuell gibt es auch einige offene rechtliche Themen rund um Vehicle-to-Home zu klären.

Allgemein
Das E-Auto als mobiler Heimspeicher darf noch nicht direkt vom Stromnetz beladen und entladen werden.
 
Klärung der steuerlichen Wirkung

Wenn das Elektroauto als mobiler Speicher zukünftig an öffentlichen Ladesäulen oder während der Arbeitszeit beim Arbeitgeber günstiger lädt, den Strom abends per V2H an das Hausstromnetz abgibt, könnte eine „Gewinnerzielungsabsicht“ vorliegen.

Das könnte genau dann der Fall sein, wenn der aktuelle Stromtarif für den Netzbezug teurer ist als der geladene Strom, den man aus dem Akku des E-Autos nutzt.

Ebenso ist mögliches zusätzlich verdientes Geld außerhalb der Einspeisevergütung im Rahmen einer Direktvermarktung zu berücksichtigen.

Es sollte daher vorab geklärt werden, ob dann eine Art Gewerbe beim Finanzamt anzumelden und wie die steuerliche Wirkung der beschriebenen Anwendungsfälle ist.

Auflösung der Doppelbesteuerung für Strom aus E-Auto
Die Benachteiligung der Doppelbesteuerung bei Nutzung des Stroms aus mobilen Speicher des E-Autos im Vergleich zum stationären Heimspeicher sollte zukünftig aufgelöst werden.
 

individuelle Ausgangssituation für Vehicle-to-Home

Nachdem die obigen Anforderungen und Möglichkeiten skizziert wurden, soll nun ein individuelles Beispiel betrachtet werden. Ziel ist es, das zukünftige theoretische Potential einer V2H-Anwendung mit Zahlen bewerten zu können.

Ausstattung

  • Einfamilienhaus mit 4 Personen Haushalt in Leipzig
  • Photovoltaikanlage mit 21 Modulen und einer Spitzenleistung von 6,72 kWp mit Inbetriebnahme im Juni 2021
    • eigenverbrauchsoptimierte Dachaufteilung der Module in 8 x Südost, 9 x Südwest und 4 x Nordwest
  • geleaster und in der Theorie bidirektional ladefähigen Hyundai IONIQ 5 mit Akku von 58 kWh
  • Wallbox Webasto Pure 11 kW wobei bewusst nur 3,7 kW genutzt werden für solaroptimiertes Laden
  • Gasheizung

Zahlen und Verbräuche

Die Verbräuche aus dem Bild beziehen sich zur Vereinfachung auf das bereits abgeschlossene Jahr 2022 mit obiger Ausstattung.

Vorteile wie Smart-Charging und Nutzung der Flexibilität des Elektroautos als Stromspeicher für bidirektionales Laden und Vehicle-to-Home (V2H)
Elektroauto als Stromspeicher für bidirektionales Laden und V2H

Einspeisung

  • für den in 2022 eingespeisten Strom der PV-Anlage mit Datum der Inbetriebnahme im Juni 2021 erhielt man 7,58 ct/kWh.
  • das ergibt eine Vergütung von 391,13 € bei einer Einspeisung von 5.160 kWh.

Stromnetzbezug

  • für den Stromnetzbezug eines klassischen Stromtarifs zählte man 2022 unter Berücksichtigung der Strompreisbremse und einem Grundpreis durchschnittlich 40 ct/kWh
  • das ergibt Stromkosten von 856 € bei einem Stromnetzbezug von 2.140 kWh
  • ergibt einen durchschnittlichen Stromnetzbezug pro Tag von ca. 5,86 kWh

Individuelle Optimierung mit V2H

Aus der Ausstattung und den konkreten Zahlen ergeben sich folgende Optimierungsmöglichkeiten, die jährlichen Kosten zu reduzieren oder Gewinne mit einem Elektroauto als mobiler Stromspeicher und Vehicle-to-Home zu erwirtschaften:

Rückspeisung – Elektroauto als mobiler Stromspeicher

Mit dem Elektroauto und bidirektionalem Laden könnte man mit skizzierten Zahlen theoretisch mehrere Tage am Stück das Haus mit Strom versorgen.

Stromnetzbezug würde im obigen Szenario nur dann anfallen, wenn das Auto unterwegs ist und gleichzeitig nicht genug PV-Erzeugung vorhanden ist.

Ebenso im Winterhalbjahr, wenn mehrere Tage am Stück nicht genügend PV-Stromerzeugung vorhanden ist, um den Eigenbedarf zu decken. Hierbei könnte das Elektroauto als mobiler Speicher den Strom tagsüber günstig auf Arbeit oder anderen öffentlichen Ladesäulen laden, um diesen abends nach Feierabend dem Haus wieder zurückzugeben.

Auch wenn man bei allen Zahlen mit V2H nie 100 % Autarkie vom Stromnetzbezug erreichen wird, sollte es mit den beschriebenen Szenarien möglich sein, die obigen Stromkosten von 856 € jährlich um über 500 € im Jahr zu reduzieren.

Smart Charging – börsenpreisabhängiger Stromtarif

Bei einer angenommenen Laufleistung des Elektroautos von 10.000 km im Jahr und einem Durchschnittsverbrauch von 20 kWh je 100 km verbraucht dieses 2.000 kWh.

Bei einem Eigenverbrauch von ca. 50 % sind 1.000 kWh zu Hause aus dem Netz bezogen worden, weil die PV Anlage den Strom nicht liefern konnte.

Das durchschnittliche jährliche Ersparnispotential durch dynamische Börsentarife und Smart Charging in Zeiten geringer Strompreise (geschätzt 30 ct/kWh) ist im Vergleich zu einem klassischen Standardstromtarif (40 ct/kWh) folgendermaßen zu berechnen: 1.000 kWh * (40 ct/kWh – 30 ct/kWh) = 100 € im Jahr

Flexibilität – Börsenhandel mit freier Akkukapazität

Wenn man täglich 29 kWh (50 %) seiner Akkukapazität des Elektroautos dem Börsenhandel zur Verfügung stellt und dafür jeden Tag 3 Cent pro Kilowattstunde erhält, dann wären das pro Jahr hochgerechnete Einnahmen von 318 € (29 kWh *365 Tage *0,03 ct/kWh).

Netzentgeltreduzierung durch Steuerbarkeit des Netzbetreibers

Voraussichtlich ab 2024 gelten für Neuanlagen von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen (z.B. Wallboxen) Netzentgeltreduzierungen von mindestens 120 € brutto im Jahr.

Direktvermarktung

Wenn mit der eingespeisten Strommenge von 5.160 kWh der PV-Anlage statt 7,58 ct/kWh bereits 10 ct/kWh durch eine Direktvermarktung erwirtschafte werden könnte, wären Mehreinnahmen von ca. 125 € im Jahr möglich.

Sicher sind das alles individuelle Annahmen. Dennoch sind die Zahlen realistisch und das Potential des bidirektionalen Ladens eines Elektroautos berechenbar, so dass im Fazit folgendes festgehalten werden kann.

Fazit Elektroauto als Stromspeicher mit Vehicle-to-Home

Vehicle-to-Home sollte nicht nur die Möglichkeit schaffen, den Strom des Elektroautos auch dem Haus zur Verfügung zu stellen. Vielmehr sollte das E-Auto als mobiler und flexibler Stromspeicher zusätzlich auch zu Hause genutzt werden können. Von dort aus könnte man auch monetär von der Netzstabilisierung und Flexibilität im Rahmen des Strombörsenhandel per Smart-Charging zu profitieren.

Eigentlich sollte hierfür ein neuer Begriff geprägt werden. Der aktuelle Vorschlag ist dieses Vorgehen „Smart-Prosuming“ zu nennen.

Wer mehr über Vehicle-to-Home erfahren möchte folgt dem Blog www. elektroautofahrer.net oder deren Socials.

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